Ist die gema freie Musik tot?
Welchen Wert hat Filmmusik heute noch? Diese Frage stelle
ich mir nach über 30 jähriger Tätigkeit in der Musikindustrie als Filmkomponist
für Radio, TV und Industrie. Viel hat sich in dieser langen Zeit entwickelt und
geändert, angefangen von den Speichermedien, der damaligen Musikkassette hin
zur CD, DVD, Blue-Ray und aktuell USB Stick oder dem virtuellem
Internetspeicher, bis zu den gravierenden Veränderungen in der Musikproduktion.
Kostete ein gut ausgestattetes Musikstudio zur Produktion
von Filmmusik in den 80er Jahren noch einen 6stelligen Betrag, kann man heute
für 1000 Euro in Broadcastqualität produzieren. Eine sicherlich positive
Entwicklung für jeden angehenden Komponisten.
Ohne Musik wäre ein Film nicht denkbar. Eine wichtige
Sparte der Musikproduktion war stets die der gema freien Musik, ermöglichte
diese doch erst jedem Filmemacher, seine Videos musikalisch zu untermalen und zu
einem überschaubaren Preis ohne die teure Bürokratie der
Verwertungsgesellschaften und Verlage rechtssicher zu veröffentlichen.
Es war stets ein Geben und Nehmen zwischen den Filmern und
den gema freien Komponisten. Der Markt der Anbieter war überschaubar und die
Musikpreise im Verhältnis zum Wert des eingesetzten Videoequipments akzeptabel
für beide Seiten. Mit der technischen Entwicklung der Videoproduktion setzte der
Preisverfall der Videohardware ein. Wie im Musikbereich kann man heute für einen
sehr überschaubaren Preis professionell Filme produzieren. Damit wurde die
Videoproduktion zu einem Massenphänomen. Jeder kann heute mit einem Handy
ansprechende Filme erstellen. Eigentlich also eine riesige Zielgruppe für die
Filmkomponisten.
Gleichzeitig verlor aber der herkömmliche Musikmarkt an
Attraktivität. Weniger CD Verkäufe und geringe Einnahmen durch die
Streaming-Dienste ließen viele Komponisten in den gema freien Bereich wechseln.
Durch das Internet und die Globalisierung entstand plötzlich ein großer
Konkurenzkampf und damit ein Preisverfall der Musik. Jeder wollte schnell
verkaufen, egal wie und um welchen Preis auch immer. Eigentlich gut für die
Filmschaffenden.
Jeder Komponist bietet mittlerweile als Marketinginstrument
einige Musikstücke aus seinem Repertoire kostenlos für private Filmer an, es
gibt Flatrates und Sonderpreise, besondere Vereinbarungen für Videoclubs usw. Es
ist halt wie in allen anderen Branchen auch : „Geiz ist geil“. Je geringer aber
der Preis, desto weniger die Wertschätzung der gema freien Musik. Qualität liegt
dagegen immer im Augenlicht des Betrachters und jeder Komponist gibt in seinen
Möglichkeiten sein Bestes. Welche Musik letztendlich eingesetzt wird,
entscheidet der Filmemacher.
Durch diesen Werteverfall suchen die Filmschaffenden In den
Internetforen immer mehr nach der kostenlosen Musik und werden dabei auch
immer öfter fündig. Selbst Auftragsproduktionen werden kostenlos ausgelobt und
es finden sich willige Komponisten. Im Gegenzug würde aber kein Videoproduzent
jemals seine Filmaufnahmen verschenken, verlangt aber kostenlose Musik für seine
Postproduktion. Ist die Filmmusik also nichts mehr wert?
Es scheint so, denn nun beginnt der erste Musikproduzent
damit, seine Library komplett kostenlos anzubieten für private- und kommerzielle
Videoproduzenten und hofft so, seinen Bekanntheitsgrad zu steigern und an
Folgeaufträge zu kommen. Wer beim Einsatz seiner Musik Geld übrig hat, könne
nach seinem Ermessen diesem Produzenten Geld spenden. Ein Irrsinn.
Auftragsproduktionen werden unter ganz anderen Prämissen vergeben und wer seine
eigene Musik so feil bietet, wird kurz über lang scheitern.
Schon Schiller sagte: „So erhaben, so groß ist, soweit
entlegen der Himmel ,aber der Kleingeist fand auch bis dahin den Weg.“ Jetzt
ist ein Punkt erreicht, wo eine ganze Sparte der Musikindustrie den Bach
runtergeht. Wer kein Geld einnimmt, kann auch keins ausgeben und von der
Hoffnung auf bezahlte Jobs kann niemand leben. Der Schaden ist jetzt schon
irreparabel.
Die Videopresse schafft diesem kostenlosen Wahnsinn sogar
noch ein Forum, aber wer soll in Zukunft die Anzeigen schalten, wenn alles
kostenlos ist, wer sponsored die kleinen Printbeilagen bei Filmfestivals und wer
hilft den Filmschaffenden bei kleinen Marketingaktionen, wenn kein Geld mehr
fließt ?
Leben und leben lassen. Das gilt eigentlich in jeder
Branche, egal ob Konkurrent oder Mitbewerber. Wer an seinem eigenen Ast sägt,
fällt irgendwann hinunter. Aber was kommt dann? Wer soll in Zukunft neue Musik
komponieren ohne damit Geld zu verdienen? Woher kommt die Kreativität , wenn
Musik nicht mehr wertgeschätzt wird ?
Ich als alt gedienter Filmkomponist weiß es im Moment nicht,
kann aber auf meine langjährige Kundschaft vertrauen. Ich habe in den 30 Jahren
meiner Tätigkeit alle Rechnungen bezahlen können, habe 2 großartige Kinder
aufgezogen und konnte mir dann und wann auch mal einen Urlaub leisten. Ob das
meine Kollegen in 20 Jahren auch sagen können? Aber wie heißt es so schön :
„Wir schaffen das“